"Biokost & Ökokult"
Welches Essen ist wirklich gut für uns und unsere Umwelt Dirk Maxeiner, Michael Miersch
Die Frage, welches Essen wirklich gut für uns und unsere Umwelt ist, können auch die beiden Autoren nicht schlüssig beantworten. Aber sie können mit ihrem spannend geschriebenen Buch Vorurteile aufzeigen, Illusionen zerstören und Ideologien entlarven. Denn weder Bio noch "normales" Essen ist wirklich nur gut oder nur schlecht. Und wer "normal" einkauft, weil ihm Bio zu teuer ist, der muss kein schlechtes Gewissen haben. Schon gar nicht, wenn er regional und saisonal einkauft.
Kein Bio ohne Importe
Bio versteckt sich längst nicht mehr in Reformhäusern und alternativen Läden. Bio ist ein Boom, der zum Milliardengeschäft geworden ist, insbesondere in Europa und den USA. So mancher Konsument hat sich deshalb schon gefragt: Woher kommt das eigentlich alles, nur von heimischen Bauernhöfen? Antwort: Zu einem immer größeren Anteil wird aus aus dem Ausland importiert. Bereits im Jahr 2001 ergab eine Studie: "Wegen des geringen Ertrags müsste für eine komplette Umstellung des heimischen Agrarsektors auf biologischen Anbau die Ackerfläche um sechs Millionen Hektar erweitert werden – die es schlichtweg nicht gibt". Heißt im Klartext: Bio braucht wesentlich mehr Fläche, was die Frage nach einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaftsform deutlich relativiert, denn dadurch sind auch Naturlandschaften inklusive Pflanzen und Tiere bedroht.
Desaster für die Natur
Richtig ist, dass Tiere in der Biolandwirtschaft deutlich bessere Lebensbedingungen durch mehr Bewegungsfreiheit haben. Sie werden nicht im Rekordtempo gemästet und wachsen langsamer. Was zur Folge hat, dass sie mehr Futter brauchen und mehr Ackerfläche benötigt wird. Ein Bio-(Teufels)-Kreis. Die Autoren formulieren es provokant: "Angenommen, alle Bauern der Welt würden auf Bio umstellen, so wäre dies das Ende der Wälder, der Steppen, der Feuchtgebiete und der Wildtiere – ein Desaster für die Natur."
Bio ist ein gutes Gefühl
Provokant geht es weiter: Wer Bio kauft, wird nicht unbedingt länger leben oder gesünder alt werden. Denn es gibt nun mal keine Feldforschung bis zum Tod, bei der eine Gruppe nur Bio und eine andere Gruppe nur normal gegessen hat. Ein empirischer Beweis ist nicht zu liefern. Die beiden Autoren tragen eine Menge Fakten zusammen, die ihre kritische Sicht belegen: Bio ist in erster Linie ein gutes Gefühl, sich besonders gesund und umweltbewußt zu ernähren. Dieses Gefühl ließen sich die Deutschen im Jahr 2007 rund fünf Milliarden Euro kosten, auch wenn Tests beweisen, dass Bio "zu schmecken" nicht möglich ist. Wobei das jeder selbst ausprobieren sollte und durchaus Unterschiede feststellen wird.
Pestizidbelastung
Die Autoren überspitzen, um deutlich zu machen, dass Bio eben nicht ausschließlich gut ist, wie seine Anhänger behaupten. Das gilt auch für die Pestizidbelastung von "normal" angebautem Obst und Gemüse, die nicht so dramatisch ist, wie gern behauptet. Weil Obst und Gemüse selbst Pestizide entwickeln und weil die Grenzwerte bewusst sehr niedrig angesetzt sind. Werden sie mal überschritten, bedeutet das noch lange keine akute Gesundheitsgefahr.
Tatsachen statt Ideologien
Auch sind nicht alle Bioprodukte ökologisch unanfechtbar, nur weil kein Kunstdünger verwendetet wird. Gegen Schädlinge setzen Biobauern beispielsweise Kupfer ein, das sich im Boden anreichert. Maxeiner und Miersch entlarven viele geschönte Argumente, stellen Fakten, Zahlen und empirische Untersuchungen dagegen. Sie erklären darüber gut lesbar und leicht verständlich Biotechnologie und bewerten Pro und Contra der Gentechnologie. Ihre Thesen provozieren Widerspruch - und machen doch nachdenklich. Denn sind die Bio-Gurken aus Bulgarien wirklich einwandfrei biologisch angebaut? Wird tatsächlich umfassend kontrolliert?
Zukunft der Menschheit
Die Autoren liefern wichtige Erkenntnisse für eine Diskussion, in der Dogmen und Ideologien fehl am Platz sind. Schließlich geht es langfristig um nichts Geringeres als um die Zukunft der Menschheit. Mittelfristig könnten gentechnisch veränderte Pflanzen - dieser Gedanke muss zumindest erlaubt sein - auch auf kargen Sandböden guten Ertrag bringen. Damit wäre ein Ansatz geschaffen, um dem Hunger in der Welt, insbesondere in den Dürregebieten Afrikas, buchstäblich zu Leibe zu rücken. Der allerdings verschleiert, dass Monokulturen für den Export die Dürre erst mit verursacht haben und im (von Menschen gemachten) Klimawandel eine weitere Ursache liegt.
(Christiane Schwalbe)
Piper Verlag, März 2008, 238 Seiten, 14 Euro
|