"Der Bio-Bluff" - Hans-Ulrich Grimm
Der schöne Traum vom natürlichen Essen - Hirzel Verlag 2010
Haben Sie bei Ihrem Bio-Frühstücksei schon mal daran gedacht, dass "Bio" ein schlichter Etikettenschindel sein könnte? Spätestens seit den Dioxin-Funden in Bio-Eiern nagen wohl an jedem, der sich bewusst und biologisch ernähren will, Zweifel. Welche Hühner haben auf welchem Phantombauernhof wohl welches Futter gepickt?
Grauzonen der Lebensmittelproduktion
BIO ist ein Zertifikat, auf das man sich verlassen möchte, aber der Bio-Boom der letzten Jahre öffnet Betrügern Tür und Tor. Hans-Ulrich Grimm geht dem Bio-Bluff nach und fördert erschreckende Fakten zu Tage, denn die "Vorzüge der Naturkost", die er uns beschreibt, enden oft genug "in den Grauzonen der Lebensmittelproduktion". Das liest sich leider ganz und gar nicht lecker.
Bio aus Israel
Da finden sich Zusatzstoffe im Öko-Brot, Natur aus der Tüte und sogar Wein kommen aus dem Chemielabor, Rehkeulen stammen von Gazellen und in Bioland-Babynahrung wird Pflanzengift gefunden – nicht in gefährlichen Dosen, aber immerhin. Geschickte Marketingsstrategien lassen uns blind glauben, dass alles gut und bio sei, wo auch Bio drauf steht. Wer kontrolliert die Erdbeeren aus Israel oder Gurken aus Bulgarien?
Genauer hinsehen
Die zum Teil schier unglaublichen Recherchen von Hans-Ulrich Grimm, mit denen er sich schon als Spiegel-Redakteur und in zahlreichen anderen Ernährungsbüchern einen Namen gemacht hat, tun vor allem eins: Sie schärfen unser Bewusstsein für Ernährung, Umwelt und die Produktionsmethoden der Agro-Industrie. Die haben mit Natur und Lebens-Mitteln nur noch wenig zu tun, dafür umso mehr mit Halbwahrheiten und Täuschungsmanövern, mit Subventionsbetrug und Fälschungen. Machenschaften, die zunehmend auch den weltweit boomenden Biomarkt betreffen, auf dem es immer mehr um Profit statt um Natur geht.
Unsaubere Geschäfte
Da kriegt der gute Herr Hipp ebenso sein Fett weg wie der nicht minder edelmütige Konzern Rapunzel, dem besonders fair gehandelte Produkte am Herzen liegen. Aber spätestens, wenn Bio und Großkonzern sich treffen, laufen die Dinge nicht mehr so rein ab, wie Bio-Produkte eigentlich sein sollten. Diesen kritischen Verbraucherblick hinter die Kulissen ermöglicht Grimms Buch mit einer Unmenge an Fakten, die manche Illusion zerstören, aber auch alte Erkenntnisse aus Zeiten einer "gesunden" Landwirtschaft auffrischen.
Traum vom natürlichen Essen
Macht der Autor den schönen Traum vom natürlichen Essen also ganz und gar zunichte? Nicht ganz. Trotz mafiöser Machenschaften in der weltweiten Lebensmittelindustrie gibt es eine wachsende (Öko)Landwirtschaft, die das Vertrauen des Verbrauchers verdient. Die entsprechenden Biosiegel sind im Anhang des Buches beschrieben und erklärt. Auch die strengen Regeln, nach denen hier produziert wird. Regeln, die bei der Massenproduktion von Bioware, wie sie der (Super)Markt verlangt, unmöglich einzuhalten sind.
Bio ist besser
Allen (aktuellen) TEST-Untersuchungen zum Trotz sind Bioprodukte noch immer besser als konventionell produzierte: Selbst wenn sie nicht "anders" oder besser schmecken, enthalten sich doch deutlich weniger Gifte, Pestizide und Nitrate und einen hohen Anteil an Pflanzenstoffen, die unsere Gesundheit schützen. Und wenn man sie regional und saisonal möglichst beim Bauern "nebenan" kauft, kann man sich der Güte des Produkts ziemlich sicher sein.
Fazit:
"Im Dunstkreis der Biosphäre ist ein Milieu entstanden, das die Sehnsucht der Verbraucher nach Natur und ihre Bereitschaft, dafür gern Geld auszugeben, geschickt nutzt. Während die echten Ökos aber auch einen aufpreiswürdigen Aufwand treiben, viele Kontrollen über sich ergehen lassen müssen, um den Bio-Aufschlag zu verdienen, versuchen andere, so ein bisschen wie Bio zu erscheinen. Sie setzen nach Gutdünken mehr oder weniger strenge Regeln, sonnen sich aber so nebenbei im strahlenden Image des ökologischen Landbaus." (Christiane Schwalbe)
3., neu bearbeitete und ergänzte Auflage, Januar 2010, 19.95 Euro
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