Kein Brot für die Welt - Die Zukunft der Welternährung
Wilfried Bommert
Von 2010 bis 2050 wird die Weltbevölkerung um 33 Prozent, der Bedarf an Agrarprodukten um 70 Prozent und der an Fleisch um 100 Prozent steigen. Aber schon heute hungern weltweit eine Milliarde Menschen. Kaum vorstellbar in einem Land, in dem 66 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen übergewichtig bis fettleibig sind, gar nicht mehr wissen, was Hunger ist, dafür umso genauer jede Form von Diät kennen.
Weltweite Zusammenhänge
Wilfried Bommert beschreibt die komplexen und weltweiten Zusammenhänge von Agrarproduktion, Klimawandel, Boden- und Wasserqualität, Saatgutindustrie und Monokulturen. Er beleuchtet politische Machenschaften ebenso wie sinnvolle politische Einflußnahme. Und er macht klar: Europa darf sich nicht zufrieden zurücklehnen, denn die Europäische Union trägt zu einem erheblichen Anteil Schuld am Hunger in den Ländern Afrikas und Asiens und wird in Zukunft selbst ganz entscheidend unter dem Klimawandel, der Bevölkerungsexplosion und der Nahrungsmittelknappheit leiden.
Politischer Egoismus
Rückblick: Mitten in der Wüste Arabiens wuchs in den 1980iger und 90iger Jahren so viel Getreide, dass grosse Überschüsse exportiert werden konnten. Gleiches galt für Geflügelfleisch und Milch. Saudi-Arabien war so lange Exportland, bis man feststellte, dass durch die künstliche Bewässerung der Wüste der Grundwasserspiegel dramatisch abgesunken war. Der Wassermangel führte zu radikalem Umdenken: Getreideanbau und Viehzucht werden bis 2015 komplett zurückgefahren. Statt im eigenen Land Überschüsse zu produzieren, kauft Saudi-Arabien von Regierungen in Afrika riesige Ackerflächen und zerstört die vorhandenen bäuerlichen Strukturen. Die Kleinbauern, die den Boden dort bestellt haben und von den eigenen Feldfrüchten halbwegs leben konnten, werden vertrieben und landen in den Slums der Großstädte.
Edles Fleisch
Je mehr die Menschen in den Schwellenländern verdienen, desto schneller steigt der Fleischkonsum. Zum Sattwerden reichen nicht mehr nur Reis, Fladenbrot oder die tägliche Mais-Tortilla. Die Bevölkerung will Fleisch auf dem Teller, genauso wie Amerikaner und Europäer, denn Fleisch bedeutet Wohlstand. Die Ressourcen, die dafür verbraucht werden, sind enorm: Für ein Kilo Hähnchenfleisch werden knapp zwei Kilo Getreide verfüttert, für Schweinfleisch sind es 2,5 Kilo und für Rindfleisch sogar neun Kilo. Hinzu kommen 15.000 Liter Wasser pro Kilogramm Rindfleisch. Eine aufwendige industrielle Produktion dient der sogenannten "Veredelung" dient, Fleisch ist eben edler als Getreide. Früher waren Schweine und Hühner die Allesfresser und Resteverwerter auf den Bauernhöfen, heute sind sie Konkurrenten des Menschen geworden. Hochleistungsrinder in der Fleisch- und Milchproduktion brauchen Hochleistungsfutter. Im Klartext heißt das: Futter für Tiere hat Vorrang vor dem Getreide für Menschen.
Tank voll - Teller leer
Der Autor liefert Beispiele: "100 Kilo Getreide reichen aus, um 40 Liter Biosprit zu destillieren oder um 100 Brote zu backen. USA und Europa entschieden sich für 40 Liter Biosprit." Im Januar 2007 demonstrierten in Mexiko City am "Tag der Tortillarevolution" mehr als 100.000 Arbeiter und Bauern, weil sich der Preis für Maismehl verdoppelt hatte. Ohne Maismehl keine Tortilla. Die USA hatten den Maismarkt für die Produktion von Bio-Ethanol schlichtweg leer gekauft. Bommert nennt auch Zahlen: "Die Europäische Gemeinschaft zahlte in 2006 rund 3,7 Milliarden Euro Subventionen, je Liter Biodiesel 50 Cent und für Ethanol 74 Cent." Und das ist erst der Anfang. Der Anteil des Bio-Sprits soll, von der EU vorgeschrieben, in den nächsten Jahren ständig weiter steigen. Dabei stellt das Mainzer Max-Planck-Institut fest, "dass Biodiesel aus Raps bis zu 1,7-mal schädlicher für das Klima ist als herkömmliches Benzin."
Manipulierte Gene
"Die Agrarforschung ist, gemessen an den Problemen, die auf uns zukommen, unterfinanziert und falsch aufgestellt, und das nicht nur in Deutschland." Die staatlichen Forschungsmittel sind in den letzten Jahren weltweit stark reduziert worden, mit Ausnahme von China, Indien und Brasilien. Industrie-Konzerne – z.B. Monsanto - investieren aber nur in Produkte, die hohe Gewinne erwirtschaften. Und das sind gentechnisch veränderte Sorten, die sie jedes Jahr im "Paket" teuer verkaufen: patentiertes Saatgut plus passendes Herbizid aus eigener Herstellung. Für kleine Landwirtschaftsbetriebe ist das unbezahlbar. Ganz abgesehen davon, dass bislang nicht erforscht ist, was gentechnisch manipuliertes Saatgut langfristig anrichtet.
Lesenswert
Wilfried Bommert ist Agrarwissenschaftler und Journalist. In seinem Buch hat er wichtige Fakten zusammengetragen und mit Gesprächen und Geschichten ergänzt, die er auf Reisen gesammelt hat. Sein lesenswertes Buch ist nicht nur eine umfangreiche Bestandsaufnahme, sondern zeigt auch die Möglichkeiten auf, die Politiker, Wissenschaftler und Konsumenten haben, um kommende Klima- und Ernährungskrisen zu bewältigen. (Christiane Schwalbe)
"Kein Brot für die Welt - Die Zukunft der Welternährung", Wilfried Bommert Riemann Verlag 2009, 352 Seiten, 19,95 Euro
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