Veggie Day für alle
Im viel besuchten Park am Gleisdreieck in Berlin lockte Renate Künast am 11.08.2013 mit einer ganz besonderen Aktion: Kein "dîner en blanc" – ein öffentliches Picknick an weiß gedeckten Tischen - sondern ein "dîner en vert", ein grünes Picknick, in doppeltem Sinn. Geladen hatten die "Grünen" und auch gegessen wurde "grün", nämlich vegetarisch.
Einfach mal ausprobieren
Auf langer Tafel standen vegetarische und vegane Leckereien, allesamt Lieblingsspeisen von interessierten und engagierten Besuchern. Zum fleischfreien Picknick mit anregenden (politischen) Gesprächen und fröhlicher Klezmer-Musik hatten Renate Künast und Özcan Mutlu geladen. Sie wollten beweisen, dass ein "Veggie-Day ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren ist, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren".
Bundesweiter Shitstorm
Mit dieser Forderung aus ihrem Wahlprogramm haben die Grünen bundesweit einen sogenannten "shitstorm" ausgelöst, eine Welle der Empörung vor allem bei Fleischessern, die im freiwilligen Verzicht auf Fleisch und Wurst an nur einem Tag (!) in der Woche einen willkürlichen Eingriff in ihre persönliche Speiseplangestaltung sehen und sich das "Fleisch nicht verbieten lassen" wollen. FDP und CDU lehnen den Vorschlag denn auch als Bevormundung ab, die Boulevardpresse spricht von grüner Umerziehung.
Gent und Bremen
Dabei ist die Idee nicht neu: Einmal in der Woche kein Fleisch, dem Klima, den Tieren und der Gesundheit zuliebe: Das wird seit 2009 im belgischen Gent, und seit Januar 2010 auch in Bremen als erster Stadt in Deutschland praktiziert – als freiwillige Aktion in Kantinen, Schulen, Kitas und privaten Haushalten. Den fleischfreien Tag haben sich Bremer SPD und Grüne 2011 ins Koalitionsprogramm geschrieben – wie in Rheinland Pfalz. Inzwischen sind zahlreiche Initiativen in über 30 Städten in Deutschland entstanden, meist angeregt von den Grünen, deren Bundestagsfraktion die Forderung nach einem Veggie-Day bereits im Februar 2011 in einem Positionspapier erläutert hat.
Fastfood und Billigfleisch
Wie schön! Mitten im traditionell nachrichtenarmen Sommerloch geht’s endlich mal zur Sache, ist der Veggie-Day plötzlich bundesweit in aller Munde - wahlkämpferische Provokation und Aufregerthema, weil er ein Heiligtum der Deutschen aufs Korn nimmt: das Essen. Privater geht's nicht, billiger aber auch nicht. Gerade die Deutschen wollen sich die Wurst nicht vom Brot nehmen lassen, sparen aber bei Lebensmitteln, was das Zeug hält, futtern Fastfood statt Selbstgekochtes und begnügen sich mit Billigstfleisch aus Massentierhaltung. Genau da hakt Grünen-Spizenkandidat Jürgen Trittin ein, wenn er in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" auf Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft und auf "Drogenhandel im Stall" hinweist, weil der Irrsinn industrieller Massentierhaltung ohne Antibiotika nicht möglich ist.
Weniger ist mehr
Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt verweist zusätzlich auf wissenschaftliche Studien, wonach der durchschnittliche Deutsche mit 60 Kilo im Jahr doppelt so viel Fleisch konsumiere, als gesund sei: "Man muss nicht jeden Tag zwei Burger essen". Auch für den Tier- und den Klimaschutz sei eine Reduzierung des Fleischkonsums förderlich. (Christiane Schwalbe)
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