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Philipp Rösler, die FDP und der Veggiday

Dass der neue FDP-Chef Philipp Rösler in seiner Antrittsrede am 14. Mai ausgerechnet den Bremer Veggiday als Beispiel für die Einschränkung unserer Freiheit anführt, verblüfft uns sehr.
Nur - seine Mitarbeiter haben sehr schlecht oder böswillig falsch recherchiert.

 

Dr. Philipp Rösler hat mit seinen Beispielen - ganz offenbar aus der in seiner Rede selbst gewählten Froschperspektive - mehrere Fliegen mit (s)einer Klappe geschlagen, und damit gezeigt, wie schlecht man recherchieren kann:

  • Der Bremer Veggiday ist nämlich keine Initiative der Grünen Partei, sondern Christiane Schwalbe hatte als parteiungebundene Privatperson in Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Bremen die Idee, einen vegetarischen Donnerstag zum Schutz des Klimas, der Gesundheit und für eine bewusste, nachhaltige Ernährung einzuführen – übrigens nach dem Beispiel der belgischen Stadt Gent.

  • Fleisch und Fisch werden weder verboten noch generell angeprangert. Die Initiative schreibt nichts vor, sondern empfiehlt - ohne jeglichen eigenen Nutzen - aus mehreren Gründen eine ausgewogene Ernährung für Jung(!) und Alt und vor allem zur Schonung unseres Planeten und damit zum Vorteil der zukünftigen Generationen.
    Initiatorin, Projektleiterin und Nicht-Vegetarierin Christiane Schwalbe: "Wir sind nicht angetreten, Fleisch zu verbieten, es geht uns vielmehr darum, beim Essen genauer hinzusehen, sich auf regionale Produkte zu besinnen, am Donnerstag auf Steak, Schnitzel,  Schinken und Fisch zu verzichten, und damit nicht nur die persönliche CO2-Bilanz zu verbessern, sondern dem Klima insgesamt zu helfen."
    Wer langfristig Gewohnheiten ändern will, braucht Rituale, deswegen ist der Donnerstag als Veggiday ein guter Anfang, um den persönlichen Fleischkonsum ganz freiwillig einzuschränken.

  • Und so hat Dr. Rösler vorgeführt, wie man 1 Woche vor einer Wahl Wähler vergrauen kann, hier, um im Bundesland Bremen wieder zur FastDreiProzent-Partei (genauer: 2,4 Prozent, nach 6,0% vor 4 Jahren) zu werden.

  • Für die bundesdeutsche Bevölkerung ist es gut - und das hat er damit selbst klar gemacht -, dass Dr.med. Philipp Rösler nicht mehr Gesundheitsminister ist, weil er "auch als Arzt" seinen Patienten "im Traum" keine Ernährungsvorschläge machen würde. Wer mag schon einen Arzt oder Gesundheitsminister, der keine Vorschläge macht?

  • In seinem Appell an die "lieben Umwelt- und Naturschützer" verdeutlicht Philipp Rösler, wie radikal der Freiheitsbegriff von der FDP ausgelegt wird: Als egoistische Freiheit zur Zerstörung des Planeten durch Vernichtung von Landflächen, Regenwäldern und Verseuchung von Flüssen und Meeren, als Freiheit des Einzelnen, seine Gesundheit ohne weiter nachzudenken auf Kosten der allgemeinen Krankenkassen zu gefährden, usw.

  • So wurden durch den freiheitsliebenden Dr. Rösler ausführliche Debatten im Internet angeregt, meist gegen Herrn Rösler und seine Meinung, die der verjüngten FDP bestimmt nicht gut tun und nur zeigen, dass auch die wirtschaftsangepasste 'neue' FDP offenbar keine 'ordentlichen' Feindbilder gefunden hat, sondern äußerst mutig und sehr liberal auf den 'Fliegengewichten' Veggiday in Bremen und dem Kiez Berlin-Kreuzberg vermeintlich aufklärend herumhaut. (Aktualisiert: Die nächsten Wahlen im September 2011 in Berlin erbrachten als Ergenis für die stolze FDP niederschmetternde 1,8% Wählerstimmen.)


(Näheres, Video der Anttrittsrede und Auszüge aus der Diskussion bei Youtube auf unserer nächsten Seite

Wortlaut der Antrittsrede von Philipp Rösler

 

14. Mai 2011 in Rostock
bezüglich Veggiday und liberaler Freiheit

"Kennen Sie den Veggiday - also den vegetarischen Tag? Auch beschlossen von den Grünen und umgesetzt von Rot/Grün in Bremen. Das bedeutet, dass in keiner Küche, keiner Gastronomie an einem bestimmten Tag dann Gerichte mit Fleisch gekocht und ausgeteilt werden dürfen.
Liebe Freunde, ich hab' Bekannte, die sind Vegetarier, ich hab' Freunde, die sind bekennende Fleischesser, und es mag auch gesund sein, gelegentlich mal auf ein Stückchen Fleisch am Mittag zu verzichten.
Aber ich würde nicht im Traum darauf kommen - auch als Arzt - den Menschen vorschreiben zu wollen, was sie essen dürfen und was nicht. Mit Freiheit hat auch das nichts zu tun, liebe Freundinnen und Freunde. (Applaus)

Manch einer behauptet ja, die Grünen wären liberal. Allein diese beiden Beispiele zeigen, dass dies garnicht möglich sein kann. (Applaus)
Denn Liberale fühlen sich immer der Aufklärung verpflichtet und die Grundüberzeugung der Aufklärung heißt, dass wir eines wissen, nämlich, dass niemand, weder Kaiser, König, Papst, Bundesvorsitzende aller Parteien, auch Doppelspitzen, nicht im Besitz der letzten, aber reinen Wahrheit sein kann. (Applaus)
Und die Grünen, die das nicht wissen, aber glauben, mit ihrer Lebensauffassung alle anderen zu beglücken, missionieren zu wollen, können niemals eine liberale Partei - und ich füge hinzu, auch wir wollen niemals eine grüne Partei - sein."

Wenn der FDP die Argumente für einen Veggiday auch fehlen, wir haben sie.
Unsere Argumente ...