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"Tiere essen"

Jonathan Safran Foer

Wir essen Fleisch, ohne darüber nachzudenken, woher es kommt. Es liegt appetitlich geschnitten und portioniert beim Metzger oder schön verpackt im Supermarkt. Dass es eigentlich von Tieren stammt, sieht man ihm nicht mehr an. Aber wer meint, dieses Fleisch stamme von glücklichen Kühen, eifrig pickenden Hühnern oder fröhlich quiekenden Schweinen, der irrt.

TIERE ESSEN, Jonathan Safran Foer, Verlag Kiepenheuer und WitschLebenslange Folter

Die Tiere, die wir essen, stammen zu 99 Prozent aus Massentierhaltung, also aus einer agrarindustriellen Produktion, die vorwiegend Schweine, Hühner und Puten unter Bedingungen aufzieht, die einer lebenslangen Folter gleichen. Zu ihrem Glück leben diese Tiere nicht lange, ihr Leid ist begrenzt, aber noch im Tod erleiden sie Qualen.

Von wegen Fleischgenuss

Was Jonathan Safran Foer über die industrielle Tierproduktion in den USA herausgefunden hat, ist schockierend. Mehr als einmal möchte man dieses Buch lieber beiseite legen, verdrängen, vergessen, ignorieren, was er uns in gnadenloser Offenheit über Massentierhaltung erzählt. Denn was da geschieht, ist Tierquälerei zugunsten des Menschen. Und das so produzierte Fleisch ist alles andere als genießbar: Es macht uns krank, ist eine Katastrophe für unsere Umwelt und treibt die Klimaerwärmung voran.

Detailgenaue Beschreibung

Foer argumentiert nicht moralisch und vor allem nicht dogmatisch – er schreibt einfach, wie es ist, schildert das Leid überzüchteten Mastgeflügels und die Qualen von Schweinen so realistisch, dass man sich fragt, womit diese Kreaturen es verdient haben, so brutal misshandelt zu werden – nur damit Menschen ihren Schweinebraten, ihre Hühnerbrust oder ihren Truthahn auf dem Teller haben.
Dieses Fleisch ist alles andere als ein Genuss, wenn man sich klarmacht, welche Antibiotika und Hormone drin stecken, welche Luft- und Wasserverschmutzung damit verbunden sind, und welche Gülleseen, die zynischerweise "Lagunen" genannt werden.

Jahrelange Recherchen

Drei Jahre hat der Autor recherchiert, ist verbotenerweise in Massenzuchtbetriebe eingedrungen, hat Schlachthöfe besucht und Lebensmittelkonzerne (erfolglos) um Aufklärung gebeten. Er hat mit Farmern gesprochen, die Tiere traditionell aufziehen, und mit Mitarbeitern von Großschlachtereien. In diesen Gesprächen erfuhr er nahezu unglaubliche Details über Tiere, die niemals die Sonne gesehen haben, kein Gras fressen oder Körner picken durften und in Behältnissen ihr Dasein fristen, in denen sie sich nicht rühren können.

Viehzucht als Klimakiller

Foer stellt die großen Zusammenhänge her: Mehr als 99 Prozent der Masthühner, 95 Prozent der Schweine und 78 Prozent der Rinder stammen in den USA aus Intensivhaltung. (Die Situation hierzulande wird in einem ausführlichen Anhang geschildert, der zeigt: Wir sind auf dem besten Weg, es den USA gleich zu tun. ) Fast ein Viertel der Landoberfläche unseres Planeten dient der Viehzucht. Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung trägt erheblich mehr zur globalen Erwärmung bei als alle Autos, Schiffe und Flugzeuge dieser Welt zusammen. Das beweisen auch Studien der Welternährungsorganisation FAO. Und man mag es kaum glauben: aber allein für die Ernährung eines einzigen Amerikaners müssen rund 21.000 Tiere sterben.

Schockierende Fakten

Ein aufrüttelndes, schockierendes Buch, das auch daran erinnert, dass es anders geht: mit artgerechter Tierhaltung, die allerdings den stetig steigenden Fleischbedarf dieser Welt nicht bedienen kann. Foer appelliert an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen. Es geht ihm nicht darum, eine Mission zu erfüllen und uns zum Vegetarismus zu bekehren. Aber warum kann es nicht ein bisschen weniger sein? Schon ein fleischloser Tag in der Woche Tag rettet Tiere, schützt sie vor Massentierhaltung und nützt Klima, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

"Tiere essen" von Jonathan Safran Foer
Verlag Kiepenheuer & Witsch 2010, 399 Seiten, 19.95 €