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"Das Omnivoren-Dilemma"

Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde.
Michael Pollan

Alles ist Öl und alles ist Mais – und wir (fr)essen alles. Das ist ein kurzer , aber treffender Nenner, auf den man Michael Pollans Buch bringen könnte: Öl und Mais sind die Grundstoffe der industriellen Nahrungsmittelproduktion. "Das Omnivoren-Dilemma" stand jahrelang auf der Bestseller-Liste der New York Times. Ausgerechnet im Land der Burger & Co., des Fleischkonsums und der Fettleibigkeit.

Das Omnivoren-Dilemma, Michael Pollan, Goldmann TBBiogemüse auf dem Dach

Aber vielleicht haben die amerikanischen Omnivoren, also die Allesfresser, daraus gelernt und sich (nicht zuletzt durch die amerikanische Präsidentengattin) animieren lassen, mehr (biologisches) Obst und Gemüse zu verspeisen, statt Fastfood. Auf Dachgärten und Balkonen nicht nur in New York wächst - wie im Garten des Weißen Hauses - Biogemüse. Urban Gardening blüht und Vegetarismus ist neuerdings "cool".

Künstlicher Geschmack

Böses Essen, gutes Essen – kann man so polarisieren? Michael Pollan kann, denn sein 600 Seiten starkes Buch enthält eine beeindruckende Fülle von Informationen und erschütternden Fakten über die Industrialisierung unserer Lebensmittel und ihre Pervertierung: Sie sind so üppig mit Zucker, künstlichen Aromastoffen und Geschmacksverstärkern angereichert, dass Kinder bei "echten" Lebensmitteln den Geschmack vermissen.

Mais statt Gras

Pollan führt uns zu den Ursprüngen der Lebensmittelproduktion, die von wenigen Konzernen beherrscht wird. Was haben ein Huhn mit Chicken McNuggets und Mais mit Fastfood zu tun? Was wird eigentlich "veredelt", wenn Kühe Mais oder Soja fressen (müssen), obwohl sie eigentlich lieber Gras futtern? Die Massentierhaltung nutzt allein den Konzernen, nicht aber den Menschen, die zwar billiges, aber minderwertiges Fleisch essen - von Tieren, die unwürdig dahin vegetieren. Was man angesichts sauber eingeschweißter Koteletts im Supermarkt nicht sieht.

Vielfalt wie noch nie

Noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es eine solche Lebensmittelvielfalt wie heute. Noch nie gab es aber auch so viele Zivilisationskrankheiten, die durch unsere Ernährung verursacht werden. Pollan zwingt uns, über die Herkunft dessen, was täglich auf unseren Tellern liegt, nachzudenken und die Ursprünge der industriell gefertigten Nahrung(skette) zur Kenntnis zu nehmen.
Dabei moralisiert er nicht, sondern deckt Tatsachen auf, nennt Missstände und Profitgier beim Namen und prangert den maßlosen Energieverbrauch an, der nicht nicht nur beim Anbau von Nahrungsmitteln entsteht, sondern zusätzlich bei Verarbeitung und Transport. Auch die Biobranche, die längst zum lukrativen Geschäft geworden ist, kriegt ihr Fett weg.

Wir haben die Wahl

Den Amerikanern attestiert Pollan eine durch Diäten und Fertignahrung verursachte nationale Esstörung. So etwas kann den Franzosen nicht passieren, ihre Esskultur "bewältigt das Omnivoren-Dilemma erfolgreich", weil genussvoll. Und wir? Gutes und böses Essen sollten wir nach der Lektüre dieses Buches deutlich leichter unterscheiden können. Wir haben die Wahl - beim nächsten Einkauf im Supermarkt.
(Christiane Schwalbe)

"Das Omnivoren-Dilemma" - Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde. - von Michael Pollan
Goldmann-Arkana, broschiert als TB 2011, 608 Seiten,14,99 Euro