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"Frauen mit Geschmack"

Vom Vergnügen, eine gute Köchin zu sein
Katja Mutschelknaus

Kann die Küche ein Sehnsuchtsort sein, ein Ort der weiblichen Emanzipation, der Kunst und Kultur, Heimat sogar und Bildungsstätte? Für die Amerikanerin Catherine Beecher, im 19. Jahrhundert eine ebenso leidenschaftliche Kämpferin für eine bessere Küche ...

Frauen mit Geschmack, Katja Mutschelknaus, Sandmann Verlag 2010Christliche Werte in der Küche

"Sie hielt es für ein entschieden weibliches Talent, Häuslichkeit schaffen zu können. In diesem Sinne empfand sie vor allem Kochkunst als Ausweis fraulichen Selbstbewusstseins und weiblicher Kompetenz ... Sie war der Auffassung, eine lieblose Küche verletze grundlegende christliche Werte".

Dreimal "K"?

Es wäre gänzlich falsch, Beecher in die Riege der dreimal "K" zu verbannen, die Kochen als naturgegeben weiblich empfand. Sie sah in der Küche Chance und Möglichkeit für Frauen, sich im frühen 19. Jahrhundert gegen Unterdrückung und fehlende Ausbildung zu wehren und eine weibliche Gastrosophie zu entwickeln, d.h. sich intensiv mit allen Zusammenhängen der Ernährung zu befassen. Heute würden wir solche Fähigkeiten den Bereichen der Ernährungssoziologie, Nahrungsforschung, Kulturgeschichte, Ökotrophologie, Medizin, Philosophie und Esskultur zuordnen.

Die "Perle" als Familienmitglied

Denn umfassendes Wissen über Herkunft, Lagerung und Zubereitung der Speisen war unabdingbar für eine Köchin, die als "Perle" den Haushalt herrschaftlicher Häuser managte und Teil der Familie wurde, der bewusst war: Ohne den guten und wissenden Geist in Küche und Haushalt das Leben wäre das Leben kaum zu bewältigen.

Ein langer Weg

Aber durch welche tiefen Täler musste eine Köchin im Laufe der Jahrhunderte gehen, ehe ihre Tätigkeit endlich als Beruf anerkannt und ihre Arbeit durch moderne Küchenhelfer erleichtert wurde. Wieviel Getreidebrei und Milchsuppe musste sie zubereiten, die fachgerechte Konservierung von Obst, Gemüse und Fleisch kennen, Vorratskammer und -keller hüten, Gänse und Hühner rupfen, Kaninchen das Fell über die Ohren ziehen, Kohlenfeuer anfachen, Berge von schmutzigem Geschirrn spülen, verkrustete Bratenreste aus schweren Töpfen kratzen und sich tagelang mit der Vorbereitung hochherrschaftlicher Menüs befassen. Dabei musste sie noch einen feinen Geschmack unter Beweis stellen und dekorative Fähigkeiten entwickeln und war von morgens bis spät abends auf den Beinen.

Armeleuteküche

Häusliche Pflichten waren angeblich natürliche Begabungen, die keine weitere Bildung erforderten, nur ein bisschen tägliche Übung. Kochen war Hausarbeit, wurde nicht bezahlt und war in den Augen von Berufsköchen eine unqualifizierte Tätigkeit ohne Anspruch auf Kunst. Weit gefehlt zwar, aber "die häusliche Küche der Frauen blieb für den größten Teil der Bevölkerung noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in der Tradition der Armeleuteküche verwurzelt".

KünstlerInnen am Herd

Und wie lange hat es gedauert, bis Frauen zugestanden wurde, was Männer längst für sich in Anspruch nahmen: Künstler in der Herstellung kulinarischer Köstlichkeiten zu sein und dafür Ruhm und Ehre zu verdienen – inklusive eines guten Gehalts und öffentlicher Anerkennung. Da besteht heute noch immer Nachholbedarf, die Zahl der Spitzenköchinnen ist vergleichsweise gering. Aber die Frauen holen auf.

Sterne für Frauen

Eugénie Brazier sprengte 1921, als sie sich selbständig machte und in Lyon ein eigenes Bistro eröffnete, alle Vorurteile, die zwischen den Aussagen "Eine Frau gehört an den Herd" bis zu "In der Spitzengastronomie haben Frauen am Herd nichts zu suchen" liegen. La Mère Brazier brachte zusammen mit La Mère Bourgois männliche Festungen in der Gastronomie zum Einstürzen: Beide Spitzenköchinnen wurden 1933 vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet. Es waren die ersten in der Geschichte der weiblichen Kochkunst.

Lesegenuss

Katja Mutschknaus erzählt unterhaltsam, ungemein belesen, humorvoll und überaus kenntnisreich von "Frauen mit Geschmack" und vom "Vergnügen, eine gute Köchin zu sein". Es ist ein sprachliches und optisches Vergnügen, dieses Buch zu lesen, darin zu schmökern und zu blättern, sich über raffinierte Rezepte zu freuen und über die üppigen Illustrationen, die es zu einem Genuss machen: alte Fotos, Zeichnungen, Plakate, Gemälde.

Kulturgeschichte

Mutschelknaus blättert zugleich die umfangreiche und wechselvolle europäische Kulturgeschichte vom Essen und Trinken auf. Ihr Buch beleuchtet zudem die Geschichte einer ganz besonderen Emanzipation - von der Magd zur anerkannten Fachfrau, vom Getreidebrei zur Spitzenküche, vom (all)täglichen Fleischkonsum zurück zum Sonntagsbraten – und setzt den Köchinnen dieser Welt ein Denkmal, getreu dem französischen Sprichwort: "La cuisine, c'est la femme".
(Christiane Schwalbe)

Katja Mutschelknaus "Frauen mit Geschmack" - Vom Vergnügen, eine gute Köchin zu sein
Elisabeth Sandmann Verlag 2010, 153 Seiten, 24.95 Euro